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Eine Moralpredigt eines glucklich lachelnden kleinen Madchens?Die Geschichte Heidis ist allseits bekannt: ihre unbeschwerte Kindheit in der pastoralen Idylle der Alm, ihr erzwungener Umzug in die moderne, kalte Lebenswelt der Stadt und das glcklichen Ende ihrer Rckkehr. Angesichts des weltumspannenden und anhaltenden Erfolgs des Romans wollte Jean-Michel Wissmer es jedoch etwas genauer wissen und hat sich die Geschichte von Heidi und deren Autorin, Johanna Spyri, nochmals angeschaut. Das Ergebnis ist ein eloquent geschriebenes, humorvolles Buch. Wissmer ordnet das Werk in seinen Entstehungskontext ein und nimmt den Text in seiner literarischen Qualitt ernst. Er macht uns mit Spyris Erzhlstrategien bekannt, charakterisiert ihre Romanfiguren und stellt Bezge zu anderen Texten der Autorin und zu Autoren wie Dickens oder Zola her. So regt er dazu an, die ebenso berhmte wie bagatellisierte Geschichte neu zu lesen. Michael Wissmer erzhlt die Geschichte von Heidi nach; er stellt sie in ihren historischen Kontext und setzt sie in Bezug zu den heutigen Leserinnen und Lesern. Die Aktualitt von Heidi, den Grund fr die Faszination, die die Geschichte auch heute noch auf viele Menschen ausbt, sieht er nicht zuletzt im Wunsch vieler Menschen nach einer unberhrten Natur. Aber Wissmer weist nach, dass das Bild der Berge und der Schweiz, das so hufig mit der Geschichte in romantisierender Weise assoziiert wird, im Roman differenzierter gestaltet ist. Denn er zeigt nicht lediglich eine Idylle, sondern einen Lebensraum, der keineswegs ungetrbt ist von Armut, Krankheit und sozialen Spannungen. Wissmer geht auf Vorstellungen ber Pdagogik und Psychologie des spten 19. Jahrhunderts ein, damalige Hygienekonzepte und den Tourismus, aber er befasst sich auch damit, dass zu jener Zeit sehr viele Schweizerinnen und Schweizer als Folge der Industrialisierung ausgewandert sind (der erste Band von Heidi erschien erstmals 1880). Auch die Autorin der Geschichte, von der er zu Recht sagt, dass sie heute trotz des grossen Erfolgs ihres Buches fasst vergessen ist, erhlt ein deutlicheres Profil: Johanna Spyri, Tochter der mystischen Dichterin Meta Heusser, pflegte mit dem Schriftsteller Conrad Ferdinand Meyer ebenso wie mit Richard Wagner Umgang und fhrte im Zrich der Mitte des 19. Jahrhunderts ein brgerliches Leben. Sie wird als tief religis beschrieben und als eine Frau, die mit Depressionen zu kmpfen hatte.