Ich sah etwas, was du nicht siehst

ebook Erinnerungen aus Ostdeutschland

By Jutta Schlott

cover image of Ich sah etwas, was du nicht siehst

Sign up to save your library

With an OverDrive account, you can save your favorite libraries for at-a-glance information about availability. Find out more about OverDrive accounts.

   Not today
Libby_app_icon.svg

Find this title in Libby, the library reading app by OverDrive.

app-store-button-en.svg play-store-badge-en.svg
LibbyDevices.png

Search for a digital library with this title

Title found at these libraries:

Loading...
Wissen Sie eigentlich noch oder überhaupt, was ein Subbotnik war oder ein ABV? Für alle diejenigen, die das nicht mehr wissen oder die es nicht wissen konnten, hat die Autorin ihrer spannenden Porträt-Sammlung ein kleines ostdeutsches Glossar angefügt. So heißt es in dem der Geschichte „Blick von der Seite" zugeordneten Begriff Subbotnik: „abgeleitet vom russischen Wort „Subota" = Sonnabend; unbezahlte, freiwillige Arbeitseinsätze von Arbeitskollektiven, Hausgemeinschaften etc., die meist am Sonnabendvormittag durchgeführt wurden, um gesellschaftliche und soziale Einrichtungen zu renovieren, zu säubern usw." Und für die Geschichte „Ich sträube mich nicht" lässt die Autorin zu Hermann Axen wissen: „zu der hier behandelten Zeit Mitglied des Politbüros beim ZK der SED; verantwortlich für Agitation und Propaganda; später auch für außenpolitische Fragen." Sehr aufschlussreich sind auch die Erläuterungen zu ihrer Arbeitsweise: Die Antriebe waren konträr. Sie schwankten zwischen zielloser Neugier und dokumentarischer Pflicht, die sich seit 1989 radikal verändernden Lebensumstände Ostdeutschlands in Biografien als Zeitdokumente zu bewahren. Mitte der 90er Jahre machte ich mir eine Liste mit Namen von Personen, von denen ich manche gut, andere kaum oder gar nicht kannte. Ich bat Vertraute, mir GesprächspartnerInnen zu vermitteln. Ein Prinzip für die Auswahl legte ich mir nicht zurecht, außer, dass ich die farbenreiche Vielgestalt menschlicher Existenz - auch in der scheinbar grauen Republik - dokumentieren wollte. Zu den Gesprächen ging ich mit einem winzigen Diktiergerät, mit einigen, aufs Individuelle zielenden Fragen; außerdem hatte ich mir „verbale Haken" ausgedacht, um die Befragten „aufzuschließen ". Wenn irgend möglich, fanden die Gespräche im Lebensumfeld meiner Partnerinnen statt. Jede Begegnung erwies sich als emotionales Abenteuer - für beide Seiten. Meine anfängliche Liste variierte ständig; nach den ersten öffentlichen Lesungen aus den Texten kamen „Freiwillige" und boten sich zum Gespräch an. Das Ausgangs-Material für jede Erinnerung bestand in den mehreren Stunden mündlichen Gesprächs auf Mikro-Kassetten. Ich hörte die Bänder fünf-, sechsmal an, manche öfter; dann schrieb ich sie - nur die eigenen Fragen auslassend - vollständig ab. In der nächsten Arbeitsstufe ließ ich Wiederholungen weg, kürzte für die Struktur der Erinnerung Unwesentliches. Später versuchte ich, den Text zu „komponieren", ihm innere Spannung zu geben, eine gewisse Dramaturgie.
Ich sah etwas, was du nicht siehst