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Am 14. Juli 1914 verließ der Dichter Rainer Maria Rilke seinen Wohnort Paris. Eine kurze Reise nach Deutschland wollte er machen und dann wieder in die französische Hauptstadt zurückkehren. Doch der Weltkrieg, der im August ausbrach, durchkreuzte seine Pläne. Nach Paris konnte der gebürtige Prager als österreichischer Staatsbürger nicht mehr zurück. Fast fünf Jahre lang verbrachte er, mit Unterbrechungen, in München. In dieser Zeit des Krieges und der nachfolgenden Revolutionen versiegte seine dichterische Kraft fast vollkommen. Immer wieder beklagte er, dass seine »voix intérieure«, seine innere Stimme, verstummt sei.
Dieses Verstummen war keine zufällige Schreibblockade, sondern für Rilke die angemessene und einzig mögliche Antwort auf den Wahnsinn des Krieges. Dichtung und Krieg schlossen sich für ihn gegenseitig aus. Diese Unvereinbarkeit regte ihn dazu an, in Abgrenzung zum Krieg sein Selbstverständnis als Dichter und seine Auffassung von Poetik schärfer zu erfassen und gleichzeitig seine Einstellung zum Krieg deutlich zu machen. Insofern war Rilke keinesfalls der weltfremde Schöngeist, als den man ihn oft darstellt. Hunderte Briefe beweisen, dass er ein genauer Beobachter seiner Zeit war und seine politischen Ansichten, die er in einen größeren Zusammenhang stellte, erhellender waren als die vieler seiner Zeitgenossen. Ausgehend vom »politischen Rilke« werden auch seine traumatischen Kindheits- und Jugenderfahrungen, sein Verhältnis zu seiner Familie und seine Freundschaften zu Frauen verständlicher.
